IRM - INSTITUT FÜR REGIONAL- UND MIGRATIONSFORSCHUNG |
IRM
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AND MIGRATION RESEARCH |
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Migratory Work |
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Tagungsberichtvon Katrin Kraus
Der Aspekt der Vielfalt wurde von fast allen ReferentInnen in den Blick genommen; teilweise mit dem Fokus auf die Unterschiedlichkeit der Migrationen selbst, teilweise aber auch mit dem Fokus auf den Unterschieden im Denken über Migration. Dass sich Migrationsbewegungen in Hinblick auf ihren zeitlichen Verlauf sehr stark voneinander unterscheiden hat Jan Lucassen in seinem Vortrag zu „Mobile Arbeit. Zur Geschichte von Saison und Wanderarbeit“ in den Vordergrund gestellt. Menschen können sich grundsätzlich mit der Absicht auf den Weg machen, temporär oder dauerhaft zu migrieren. Manche temporäre Migration – insbesondere Saisonarbeit – wird sogar gerade aus wirtschaftlich schwachen Gebieten unternommen, um nicht dauerhaft migrieren zu müssen. Aber auch die Formen zeitlich befristeter Migrationsbewegungen unterscheiden sich in ihrer zeitlichen Ausformung. Lucassen ging insbesondere auf zwei Formen ein: Die Saisonarbeit, bei der häufig über ein gesamtes Arbeitsleben hinweg mehrere Monate im Jahr an ein oder mehreren Arbeitsplätzen außerhalb des eigentlichen Wohnsitzes verbracht werden, und die einmalige Arbeitsmigration, die für einen absehbaren Zeitraum von ein paar Jahren mit anschließender Rückkehr an den Heimatort unternommen wird. Für letztere nennte Lucassen die historischen und aktuellen Beispiele der Soldaten, Seefahrer und Hausarbeitskräfte. Der Vortrag von Christoph Antweiler ging ebenfalls auf die unterschiedlichen zeitlichen Muster der Migration ein, betonte aber in erster Linie die geographische Diversität von Migration, was er am Beispiel der Region Südost-Asien darstellte. Eine wichtige und häufig unbeachtete Form stellt dabei die „Zirkelmigration“ dar: Eine zirkuläre Form der Arbeitmigration, die über verschiedene geographische Stationen führt und am Ende wieder am Ausgangsort anlangt. Anhand der räumlichen Dimensionen der Länder Südost-Asiens verdeutlichte Antweiler auch, dass hier meist enorme Distanzen überwunden werden müssen, um eine Staatsgrenze zu überschreiten und damit im Sinne der klassischen Migrationsforschung als Migration wahrgenommen zu werden. Die meisten Formen von Migration bewegen sich innerhalb einzelner Regionen und überschreiten nicht notwendigerweise Staatsgrenzen.
Andere Beiträgen warfen einen intensiveren Blick auch die Rahmenbedingungen von Migrationsbewegungen, die in den beiden Beiträgen von Nanda Kishore und Ilyas Uyar in den rechtlichen Regulierungen thematisiert wurden. Während Ilyas Uyar auf die deutschen Gesetze einging – von der Gastarbeiteranwerbung über die GreenCard bis zum „Zuwanderungsgesetz“ – stellte Nanda Kishore am Beispiel von Großbritannien und Indien dar, wie internationale Konventionen und Reglungen nationale Rechtssysteme beeinflussen. Neben den klaren Regulierungen auf gesetzlicher Ebene wurden in verschiedenen Beiträgen (Maggi Leung, Rose Baaba Folson, Rosa Maria Jiménez Laux) auch Netzwerke – am „Herkunftsort“ ebenso wie am „Ankunftsort“ – als wichtige Rahmenbedingungen von Arbeitsmigration verdeutlicht. So konnte Jiménez Laux beispielsweise darlegen, dass Marokkanerinnen häufig Südspanien als Migrationsziel bevorzugen, weil sie durch die relativ kurze Distanz noch ihre Kontakte zu Netzwerken in Marokko aufrecht erhalten können. Rosa Maria Jiménez Laux zeigte in ihrem Vortrag zu marokkanischen Frauen in spanischen Haushalten aber nicht nur die Bedeutung von Netzwerken in Zusammenhang mit Migrationsentscheidungen und Wanderungen auf, sondern stellte auch die Migrationspolitik Spaniens dar, die sich beispielsweise in der erst im Zuge des EU-Prozesses 1985 eingeführten gesetzlichen Regelung von Migration oder in den ca. alle zwei Jahre vorgenommenen Legalisierungen von den Migrationspolitiken anderer europäischer Länder unterscheidet.
Die Differenzen im Denken über Migration standen bei den Vorträgen von Jennifer Elrick und Sabine Hess/ Vassilis Tsianos im Mittelpunkt. Elrick beschäftigte sich ihrem Beitrag mit den Statistiken über „Migrationsbevölkerung“ in Canada und Deutschland, Sie bezeichnete die Konstruktion der canadischen Statistik als „economic determination“, da hier insbesondere die ökonomischen Erfolge bzw. Ergebnisse der MigrantInnen als Grundlage der Statistik genommen werden. Die deutsche Statistik hingegen könne – im Anschluss an Beck/Beck–Gernsheim – als „statitic nationalism“ beschrieben werden, da hier die Staatsangehörigkeit und die unterschiedlichen rechtlichen Stati als Kriterium genommen werden. Generell aber liege den nationalen Migrationsstatistiken eine Vorstellung der Permanenz von Migrationsprozessen zugrunde, von der aufgrund der heutigen Erkenntnisse aus der Migrationsforschung nicht mehr ausgegangen werden könne. Dies stelle die Statistik jenseits ihrer konzeptuellen Grundlage vor neue Herausforderungen. Eine Diskussion über grundsätzliche Probleme aber auch den möglichen Nutzen von Statistiken in Bezug auf Migrationsbevölkerung schloss sich diesem Vortrag an. Auf unterschiedliche theoretische Konzepte der Migrationsforschung gingen Hess und Tsianos ein. Sie kritisierten die „alte Migrationsforschung“ als an linearen Vorstellungen über Migration als einmalige Bewegung von einem Ort zu einem anderen Ort orientiert. Demgegenüber vertraten sie ein Konzept der „Transmigration“ bzw. der „Transnationalität“, das der vielfältigen Realität und der Mehrdimensionalität von Migrationsprozessen besser gerecht werden könne. Wie Leung gingen auch sie auf die Regulierungsbemühungen einerseits, die sie als „europäische Grenzregime“ bezeichneten, und die neben diesen Regulierungen andererseits stattfindenden Migrationen ein.
Allen Beiträge gemeinsam ist der Abschied von linearen und einmaligen Vorstellungen von Migration. Demgegenüber findet eine Hinwendung zur komplexen Realität von Arbeitsmigration und dem „subjektiven Faktor“ von Migration und in der Migration statt. Die subjektive Ebene stellten insbesondere die Beiträge Maria Kontos und Kyoko Shinozaki ins Zentrum. Während Maria Kontos sich schwerpunktmäßig mit MigrantInnen aus den ehemaligen Anwerbeländern beschäftigte und hier den Eintritt in selbständige Beschäftigung analysierte, ging Kyoko Shinozaki auf die Selbstkonzeption von philipinischen HaushaltsarbeiterInnen in deutschen Haushalten ein. Beide konnten durch Forschungen mit biographischen Interviews – ähnlich wie auch Rosa Maria Jiménez Laux – die Ebene der Selbstkonzeption zugänglich machen. Dabei wurde deutlich, dass es neben dem "subjektiven Faktor" auch wichtige und einflussreiche strukturelle Größen gibt: Geschlecht und Status. Diesen beiden Dimensionen – insbesondere aber dem Geschlecht –wurde auch in den anderen Vorträgen Rechung getragen.
Conclusion
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