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Mobilität & Mentalitäten

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„Mobilität und Mentalitäten. Beiträge zur Regional- und Migrationsforschung“
Fachtagung des Institutes für Regional- und Migrationsforschung Trier
vom 5. bis 6. Juli 2001 im Studienzentrum Karl-Marx-Haus
 

von Thomas Geisen

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen

 

ich möchte Sie im Namen des „Institutes für Regional- und Migrationsforschung (IRM)“ zur Tagung „Mobilität und Mentalitäten“ sehr herzlich begrüßen. Mit dieser Tagung tritt ein Institut in die Öffentlichkeit, das erst kürzlich nach sechmonatiger Vorbereitungsphase am 22. Juni offiziell gegründet wurde. Bei den Gründerinnen und Gründern des neuen Institutes handelt es sich um eine Gruppe von Sozial- und WirtschaftswissenschaftlerInnen, die sich die Erforschung der „Ursachen, Bedingungen und Folgen von Migrationsprozessen (Migrationsforschung) und der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen in regionalen Kontexten (Regionalforschung)“ zum Ziel gesetzt haben.

 

Im Mittelpunkt der Aktivitäten des Institutes sollen die Entwicklung und Durchführung Forschungsaktivitäten stehen. Eng damit verbunden ist der Wunsch, einen Beitrag zur Förderung von Kommunikation und Kooperation zwischen WissenschaftlerInnen unterschiedlicher Disziplinen, zwischen Wissenschaft und nichtwissenschaftlichen Institutionen sowie nicht zuletzt zwischen Wissenschaft und interessierter Öffentlichkeit zu leisten. Während die Diskussionen innerhalb der Wissenschaften eine wichtige Bedingung für eine qualitativ gute Forschungsarbeit darstellen, dient die Diskussion zwischen Wissenschaft und nichtwissenschaftlichen Institutionen sowie zwischen Wissenschaften und interessierter Öffentlichkeit vor allem dem Wissenstransfer. Dieser besteht jedoch nicht allein darin, dass wissenschaftliche Erkenntnisse zugänglich gemacht werden sondern auch darin, dass diese sich in der Debatte bewähren müssen. Denn erst hier kann die Frage geklärt werden, ob die gewonnenen Erkenntnisse einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der Wirklichkeit leisten und darüber hinaus, ob in ihnen ein Erkenntnisgewinn in kritischer Form vorliegt, das heißt ein Erkenntnisgewinn in praxisrelevanter und praxisverändernder, in emanzipatorischer Form.

 

Solche Debatten und Diskussionen sind für die praktische Forschungstätigkeit des Institutes von enormer Bedeutung. Denn hier werden Anregungen gegeben, neue Forschungsfragen aufgeworfen, Defizite benannt und die vorliegenden Ergebnisse einer kritischen Prüfung unterzogen, indem sie aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und beurteilt werden. Solche Debatten sind zugleich auch der Ort, an dem sich das Forschungsinstitut am sichtbarsten innerhalb seines lokalen und regionalen Zusammenhangs präsentiert und darstellt, und zwar durch die einfache Tatsache der lokalen Präsenz, dass die Diskussion konkret vor Ort geführt und der Dialog gesucht wird. An dieser Stelle sei daher der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Studienzentrum Karl-Marx-Haus in besonderer Weise gedankt, denn mit der Bereitstellung dieses Veranstaltungsraumes haben wir einen äußerst passenden Ort für unsere Tagung gefunden.

 

Allerdings soll sich der hier skizzierte Zusammenhang von Wissenstransfer nicht allein auf Tagungen und Konferenzen widerspiegeln sondern auch in der Forschungspraxis. Das heißt, dass eine Regional- und Migrationsforschung wie sie von unserem Institut betrieben werden soll, sich vor allem – aber nicht ausschließlich – auf die Region Trier und die Großregion Saar-Lor-Lux-RLP-Belgien beziehen will. Über die angestrebte lokale und regionale Fokusierung hinaus soll allerdings auch der Blick auf die gesellschaftlichen und ökonomischen Prozesse der Internationalisierung (Globalisierung) nicht verloren gehen. Die Erforschung regionaler Zusammenhänge muss vielmehr innerhalb des Zusammenhangs von Weltgesellschaft gedacht und verortet werden.

 

Mit der Tagung „Mobiltät und Mentaltitäten“ haben wir daher ganz bewußt ein Diskussionsforum an den Beginn der Aktivitäten unseres Institutes gestellt. Hier sollen nicht nur „fertige“ Ergebnisse präsentiert sondern vor allem auch Forschungsfragen entwickelt, neu aufgeworfen und diskutiert werden. Letztlich sollen hieraus Ansätze für ein kohärentes Forschungsprogramm entstehen. Damit unterschiedliche Perspektiven und Posititionen vertreten sind, haben wir uns darum bemüht, einen Diskussionszusammenhang herzustellen, der sowohl dem Kriterium der Interdisziplinarität als auch dem der Internationalität gerecht wird. Denn erst in der kontrastierenden, vergleichenden, relativierenden, urteilenden und/oder herausfordernden Betrachtung von Eigenem mit Anderem läßt sich die ungeheure Vielfalt der Bedeutungen und Wirkungen von gesellschaftswissenschaftlicher Forschung erkennen.

 

Mit der inhaltlichen Fokusierung dieser Tagung auf die Begriffe „Mobilität und Mentaltitäten“ geht es uns jedoch auch um eine inhaltliche Positionierung im Rahmen bestimmter Wissenschaftstraditionen. In diesem Zusammenhang müssen vor allem die im Rahmen der kritischen Theorie entwickelten sozialpsychologischen Ansätze und die Forschungsansätze der Historikerschule der Annales genannt werden. Und – eine kleine Reminizens an unseren Veranstaltungsort sei mir erlaubt – es darf nicht unerwähnt bleiben, dass beide explizit oder implizit an den von Marx entwickelten Begriff der „objektiven Gedankenform“ anknüpfen.

 

Allerdings ist die Verwendung der beiden Begriffe von uns im Rahmen des Institutes durchaus kontrovers diskutiert worden, vor allem der Begriff der Mentalität. Die Kritik richtet sich vor allem gegen ihre Unschärfe, gegen das jeweils nur schwer eingrenzbare Bedeutungsumfeld. Beide Begriffe erscheinen uns jedoch gerade aufgrund dieser Offenheit als besonders brauchbar. So können unter dem Begriff der Mobilität beispielsweise Bewegungen und Wanderungen von Menschen in ihren verschiedensten Formen systematisiert und zusammengefaßt werden. Mobilität beschreibt damit eine allgemeine Form sozialer Existenzweise. Die soziale Fähigkeit zur Mobilität ist damit die Grundlage für Migrationsprozessen.

 

Der Begriff der Mentalität verweist auf eine ähnliche Problematik, beschreibt er doch einen „Komplex psychischer Dispositionen, emotionaler Neigungen und geistig-seelischer Haltungen“ (Vester 1996, S. 11). In der Wissenschaftsgeschichte wird er vor allem mit der Historikerschule der Annales verbunden, die es sich zum Ziel gesetzt hatte die „Formen des Denkens und Fühlens“ herauszuarbeiten. Doch der Begriff hat auch eine andere Tradition, denn er wurde und wird nicht nur in seiner offenen Version verwendet, sondern auch in seiner geschlossenen, stigmatisierenden und ausgrenzenden Version. Dann nämlich, wenn solche Strukturen des Denkens und Fühlens als unveränderliche Merkmale angesehen und abgewertet werden. Von diesen Prozessen des „Rassisierens“, wie Robert Miles diese besondere Form der negativen Bedeutungsproduktion beschreibt, blieb auch der Mentalitätsbegriff nicht verschont und gerade der in den beiden letzten Jahrzehnten aufkommende und sich verbreitende Kulturrassismus als neuer Form des Rassismus, scheint dies noch verschärft zu haben. Allerdings sind Begriffe, die versuchen kollektive Merkmale zu erfassen, stets der Gefahr einer „Rassisierung“ ausgesetzt.

 

Doch die Problematik des Mentalitätsbegriffs soll an dieser Stelle nur angerissen werden. Als Fragestellung bleibt sie dem neuen Institut sicherlich dauerhaft erhalten. Denn um rassistische und stereotypisierende Zuschreibunge zu vermeiden müssen Alternativen zu starren, ein- und ausgrenzenden Begriffen entwickelt bzw. erneut aufgegriffen und in theoretische Konzepte eingebunden werden. Gerade mit Blick auf die sich zunehmend auch auf der politischen Ebene durchsetzende Erkenntnis über die gesellschaftliche Bedeutung von Wanderungsbewegungen kommt diesem Vorhaben eine besondere gesellschaftspolitische Bedeutung zu.

 

(...)

 

Damit möchte ich mit den einleitenden Worten schließen. Ich wünsche uns allen eine gute und interessante Tagung mit spannenden Vorträgen und interessanten Diskussionen.

 

 

 

 

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