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Claus Melter

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„Wenn du mich gefragt hättest, hätte ich es dir erzählt.“ - Über die (fehlende) Thematisierung von Rassismuserfahrungen und Zugehörigkeitsfragen in der ambulanten Jugendhilfe in der BRD

 

 

Die Jugendhilfe in Deutschland ist einerseits durch ihr eigenes Professionalitätsverständnis und das Kinder- und Jugendhilfegesetz beauftragt, sich gegen Benachteiligungen und soziale Ungerechtigkeiten zu engagieren. Andererseits ist die deutsche Gesellschaft, die mit staatlichen Geldern die Jugendhilfe finanziert, von alltäglichen und institutionellen Rassismen geprägt.

 

In diesem Spannungsfeld positionieren sich PädagogInnen in ihrer Arbeit mit männlichen Immigrantenjugendlichen entgegen ihrer erklärten Absicht auf der Seite der Mehrheitsgesellschaft, das heißt auf der ausgrenzenden Seite. Die PädagogInnen wehren Gespräche über institutionelle und alltägliche Rassismen sowie Fragen des subjektiven Zugehörigkeitsverständnis’ ab und lassen die Jugendlichen mit ungeklärten aufenthaltsrechtlichen Fragen weitgehend allein. Durch diese Handlungsweisen verletzen die PädagogInnen - ohne und mit Immigrationshintergrund - professionelle Standards der Sozialen Arbeit und stabilisieren rassistische Ausgrenzungsformen gegenüber den Jugendlichen, die sie unterstützen sollten.

 

Die männlichen Immigrantenjugendlichen eignen sich unterschiedliche Handlungs- und Interpretationsstrategien an, um Diskriminierungen durch Polizei, Justiz und Ausländerbehörden, Benachteiligungen in der Schule und aufenthaltsrechtliche Unsicherheiten sowie anderen alltäglichen Ausgrenzungen zu begegnen. Auffällig ist, dass sie in den Betreuungsverhältnissen diese Thematiken nur selten ansprechen und bestrebt sind, Ausgrenzungserfahrungen aus Selbstschutz zu ignorieren oder zu relativieren. Erst nach langen Leidensphasen wehren sie sich gegen Beleidigungen und Übergriffe. Aufgabe Sozialer Arbeit ist es, mit den Jugendlichen ihre Erfahrungen zu thematisieren und individuelle und effektive Gegenstrategien gegen erlebte Rassismen zu erarbeiten.

 

Somit sind in der Sozialen Arbeit zuerst die faktische Abwehr von Institutionen und MitarbeiterInnen gegenüber alltäglichen und institutionellen Rassismen und die Gründe hierfür zu thematisieren. Und es stellt sich die Frage, wie die Ausbildungen, Einrichtungsprofile, Jugendämter und MitarbeiterInnen migrationssensibel und rassismuskritisch professionalisiert werden können, um Immigrantenjugendliche zu unterstützen.

 

 

Claus Melter ist Diplompädagoge, Gewaltpädagoge®/Gewaltberater® (institute for male), Promotions-Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung, Lehrbeauftragter und seit 5 Jahren in der Jugendhilfe tätig. Neben Rassismuserfahrungen und Zugehörigkeitsfragen setzt er sich mit männlicher Sozialisation und Männer-Gewalt, der Qualität und Professionalität in der Sozialen Arbeit, dem Widerstand von Flüchtlingen und Initiativgruppen gegen Abschiebungen und Critical Whiteness-Studien auseinander.
 

 

 

 

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