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Judit Gulyás und Monika Mária Váradi

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Multikultureller Paradies oder ethnisches Konfliktfeld?

 

 

Einer der wichtigsten Migrationprozesse im postsozialistischen Ungarn ist die Suburbanisation, die sich vor allem in der Umgebung von Großstädten, besonders der Hauptstadt Budapest konzentriert. In unsrem Vortrag möchten wir anhand einer vorstädtischen Gemeinde (Piliscsaba/Tschawa) von Budapest durchgeführten empirischer Forschung die Frage beantworten, inwiefern die Suburbanisation die ethnischen, sozialen, kulturellen und politischen Strukturen der lokalen Gesellschaft umgestaltet, und zu welchen impliziten und latenten Konflikten dies zwischen den verschiedenen Gruppen der „Einheimischen“ und der „Einwanderer“ führen kann.

 

Die soziale Struktur dieser traditionell multiethnischen (von Deutschen, Slowaken, Ungarn, Juden und Roma bewohnten) Gemeinde wurde seit dem 18. Jahrhundert von den verschiedensten Arten der Migration (wie der Ansiedlung von Slowaken und Deutschen in den 18-19. Jhd., die Vernichtung der jüdischen Gemeinde, die Vertreibung der Deutschen, Bevölkerungsaustausch zwischen Slowaken und Ungarn aus der Tschechoslowakei, Ansiedlung von Roma der umliegenden Gemeinden in den 1960er Jahren, von Intellektuellen aus Budapest in den neunziger Jahren) gestaltet. Die Suburbanisation, die in der Mitte der neunziger Jahren stark zunahm, führte zu einem außerordentlichen Zuwachs der Bevölkerung, zur Ansiedlung hochqualifizierter und/oder wohlhabender Familien, in einer Gemeinde, in der die kulturelle und politische Aktivität der Minderheiten (Deutsche, Slowaken, Roma) zugleich immer stärker wurde.

 

Die Konflikte in der lokalen Gesellschaft entstanden zwischen „Einheimischen“ und Neuansiedlern, insbesondere über öffentliche Diskurse um die Natur, die Gemeinschaft, und um die Zukunft von Piliscsaba. Während in den Narrativen der „Einheimischen“ immer ein inniges, konkretes Wissen von der Gemeinde, eine Verbundenheit, zum Ausdruck kommt, haben die Narrative der neuen Einwohner keinen direkten Bezug zur Lokalität, sondern fügen sich in überlokale, nationale, globale Diskurse (Antikapitalismus, Grüne Ideologie, Pseudohistorie, Mythologie) ein.

 

Im Hintergrund kann man jedoch tiefe Bruchlinien zwischen den ethnischen Gruppen der Urbevölkerung finden, die auch in den identitäts- und minderheitspolitischen Strategien ihren Abdruck finden. Solange nämlich im Zentrum der kulturellen Tätigkeit der Slowaken und Deutschen die Mäßigung ihrer vorangeschrittenen Assimilation steht, möchten die Roma ihre Integration in die lokale Gesellschaft erreichen. Der größte Konflikt ist im institutionellen Bereich entstanden. Die deutsche Minderheitenselbtsverwaltung hat nämlich mit der Unterstützung der ungarischen Mehrheitsgesellschaft eine deutsche Schule gegründet, die einerseits zur Stärkung der ungarn-deutschen Identität beitragen soll, andererseits die Segregation der Roma Kinder, letztendlich der ganzen Roma Gemeinschaft aber verschärft. Auch die ungarische Mehrheitsgesellschaft scheint in Bezug auf die Konflikte der traditionellen lokalen ethnischen Gruppen getrennt zu sein. Die Mehrheit von ihnen unterstützt die Slowaken und Deutschen, eine kleine, gut organisierte Gruppe der Neuansiedler unterstützt jedoch Projekte von Roma.

 

 

Judit Gulyás, PhD-Studentin, Institut für Ethnologie, Eötvös Loránd Universität Budapest, Forschungsfeld: kulturelle Narratologie, soziale Symbolisierung

 

Dr. Monika Mária Váradi, PhD (soziologie) wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Regionalforschung der UAW, Forschungsfeld: Minderheiten, border-studies, soziale Ausgrenzung.

 

 

 

 

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